Wenn ich zurückgehen könnte, was würde ich tun? Würde ich etwas ändern? In den Lauf der Geschichte eingreifen, um die Zukunft zu verändern? Oder würde ich nur zurückgehen, um Menschen zu umarmen, die heute nicht mehr da sind?

So oft denken wir uns »wenn ich in der Zeit zurückgehen könnte, würde ich alles anders machen«. Fehler ungeschehen machen. Situationen ändern, indem wir uns anders verhalten. Andere Gespräche führen. Aber… würden wir wirklich etwas verändern wollen?

Jeder einzelne Mensch hätte tausende von Dingen anders machen können, als er sie getan hat, aber dann wären wir nicht die, die wir heute sind.

Jeder kennt das Gefühl, etwas zu bedauern und es zu bereuen, in gewissen Situationen nicht anders gehandelt zu haben. Wenn ich doch nur zurückgehen könnte… Die Worte, die wir gesagt, und die Entscheidungen, die wir getroffen haben – sowohl die guten, als auch die schlechten – haben uns an den Punkt gebracht, an dem wir heute stehen.

Hätten wir nur eine Entscheidung anders getroffen, vielleicht sogar nur einen Satz nicht ausgesprochen oder anders formuliert, wären wir heute ganz andere Menschen als wir es sind.

Es gibt viele Dinge, die ich gerne ungeschehen machen würde. Fehler, die ich begangen habe. Böse Worte, die ich gesprochen habe. Menschen, von denen ich mich habe herumschubsen lassen. Menschen, die ich hintergangen habe. Dinge, die ich einfach geschehen lassen habe. Wenn ich doch nur zurückgehen könnte…

Das kleine Mädchen, das lieber eine Freundin in eine Lüge verwickelt hat, als der Mutter die Wahrheit zu sagen.
Das Kind, das sich dazu entschied, ein einziges Mal seine Machtrolle auszunutzen auf die Kosten eines anderen Kindes, anstatt sich Hilfe zu suchen.
Die Jugendliche, die lieber in falschen Kreisen verkehrte als allein zu sein.
Die Heranwachsende, die sich zu falschen Entscheidungen trieben ließ, als mutig zu sein.
Die Erwachsene, die lieber alles mit sich allein ausmacht, als nach einer helfenden Hand zu greifen. Wenn ich doch nur zurückgehen könnte…

Selbst wenn ich es könnte – was würde ich tun? Was würdest du tun? Würdest du etwas ändern? Jemanden bestrafen, weil er einen Fehler begangen hat?
Das kleine Mädchen zum Beispiel, dass einfach nur Angst hatte, dass ihre Mutter sie weniger lieben und ausschimpfen würde, wenn sie die Wahrheit erführe?
Oder das Kind, das nur ein einziges Mal spüren wollte wie es ist, nicht das Opfer zu sein?
Vielleicht die Jugendliche, die so verzweifelt nach Zugehörigkeit und Anerkennung gesucht hat und sich jeden Abend in den Schlaf weinte?

Die Heranwachsende, die aufgrund ihrer menschlichen Bedürfnisse manipulierbar wurde und sich durch ihr mangelndes Selbstvertrauen zu Entscheidungen trieben ließ, die sie verabscheute?
Oder aber die Erwachsene, die viel zu früh lernen musste, auf eigenen Beinen zu stehen und dass man sich auf niemanden verlassen kann?
Die all diese Menschen in sich vereint?
In ihrem innersten ein gebrochenes Kind, dass sich einfach nur nach Liebe und Anerkennung sehnt…

Hat irgendjemand von ihnen verdient, verurteilt zu werden? Weil sie menschlich waren? Jede von ihnen bin ich.
Das kleine Mädchen, das ihre Freundin einer Straftat bezichtigte, anstatt sich ihren Ängsten zu stellen.
Das Kind, das ein einziges Mal vom Opfer zum Täter wurde, um einmal diesem täglichen Kampf zu entkommen und in die andere Rolle zu schlüpfen.
Die Jugendliche, die sich lieber jeden Abend mit Alkohol den Verstand nahm, als sich die Frage zu stellen, warum sie so einsam war.
Die Heranwachsende, die sich so sehr vergeblich gewehrt hatte und sich letztlich fügte, statt Mut aufzubringen und das alles ein für alle Mal zu beenden.
Die Erwachsene, die lieber für immer einsam blieb, als noch einmal verlassen zu werden.

All das bin ich. Es macht mich zu dem Menschen, der ich heute bin.
Das Mädchen lehrte mich niemals zu lügen – auch wenn es manchmal unbequem ist –, da es am Ende sowieso immer heraus kommt.
Das Kind brachte mir bei, nachsichtig zu sein und meine Taten zu überdenken.
Von der Jugendlichen lernte ich, dass dein Innerstes dich immer einholt, wenn du dich nicht damit beschäftigst – ganz gleich, was du tust.
Durch die Heranwachsende erkannte ich, dass man manchmal vergeben muss, ohne jemals eine Entschuldigung zu bekommen – und dass man seinen Feinden niemals was schlechtes wünschen sollte, egal wie grausam ihre Taten gewesen sein mögen.
Und die Erwachsene lehrte mich, dass man all das erleben und trotzdem ein guter Mensch werden kann.

Ich bin ich – und das ist gut so.

Also… Wenn ich zurückgehen könnte, würde ich rein gar nichts verändern. Ich würde Menschen umarmen, die heute nicht mehr da sind. Gesprächen lauschen, die ich nicht vergessen möchte. Schöne Momente noch einmal erleben.

Und dann würde ich mich umdrehen und in mein heutiges Leben zurückkehren – in dem Wissen, dass es gut ist.