Überquellende Leere. Den Kopf so voll – tausende von Gedankenfetzen fliegen umher, doch wenn man sie greifen will, sind sie fort. Will man nach dem einen greifen, sind schon wieder zehn weitere vorbeigeflogen. Meist vollends verloren, bevor man sie überhaupt wirklich gedacht hat. So viele Gedanken, die niemals an die Oberfläche kommen werden. Ideen, Eindrücke, Erlebnisse, Überlegungen, Geschichten. Ein Sumpf toter Gedanken.
Die meisten werden niemals zurückkehren – nicht in der Form, in der sie einst im Kopf umher schwirrten. Vielleicht anders, aber nie mehr so, wie sie ursprünglich gedacht wurden. Eigentlich erschreckend, wenn man bedenkt, wie viele Worte so verloren gehen. Wie viel Potential verloren geht – aus Gründen, für die niemand etwas kann.
Und so wird er mit den Jahren immer größer; der Sumpf toter Gedanken. Mit Geschichten, die nie erzählt wurden. Mit Ideen, die nie ausprobiert wurden. Mit Eindrücken, die nie jemand gehört hat. Ein Teil unseres Selbst, den niemals jemand sehen wird. Der nie gelebt wurde.
Auch, wenn niemand sonst davon weiß, ist er da. Wahrscheinlich wissen die meisten selbst nicht einmal, dass es ihn gibt. Aber tief in uns schlummert er mit all den ungesagten, unvollendeten Gedanken, die einen Teil von uns aus machen.
Manchmal spüren wir ihn brodeln – wissen, dass da etwas ist, können es aber nicht greifen. Manchmal gelingt es uns jedoch, einen Schnipsel zu fassen und ihn zurück an die Oberfläche zu ziehen – ihn doch nochmal zu denken und ihm die Bedeutung zu geben, die ihm zusteht. Jeder dieser Gedanken hat eine Daseinsberechtigung – dennoch werden die meisten von ihnen einfach untergehen. Ohne jemals auch nur in die Nähe eines Daseins gekommen zu sein.
So modern sie dahin, geraten in Vergessenheit. Werden ihrer Existenz beraubt. Nicht ein weiterer Gedanke wird daran verschwendet, dass es zuvor unzählige andere gab, die in einer dunklen Ecke versickern.
Wir können nicht jeden Gedanken zu Ende denken und ihnen die Beachtung schenken, die manche von ihnen verdienen. Aber vielleicht sollten wir bei manchen Dingen auf unsere Intuition hören und den flüchtigen Gedanken nicht sofort weiterziehen lassen. Denn für manche davon gibt es nur eine einzige Chance. Und wenn man die nicht nutzt, ist sie für immer verloren – hoffnungslos, unwiederbringlich.
Einfach weg – genau wie die Worte, die uns eben noch auf der Zunge lagen. So vieles sammelt sich dort unten an – in dem Sumpf toter Gedanken. Manchmal kommen Worte daraus zurück. Doch sie klingen nicht mehr wie unsere eigenen. Sind verzerrt, triefen vor Pech. Sie rufen nach uns, schreien und kreischen nach Aufmerksamkeit. Entfleuchen unseren Mündern als jenes vergessenes Produkt, das in unseren Köpfen einst so schön klang – bis es mit den vielen anderen seiner Art unterging und kein Gedanke mehr daran verschwendet wurde.
Manchmal schaffen sie es, zurück zu kehren. Als kleines, bissiges Biest, das nach uns schnappt, wenn wir ihm zu nahe kommen. Als Rache dafür, dass er vergessen wurde. Ist er wieder da, wirkt er seltsam fehl am Platz und implantiert. Nicht wie das, was er einst war.
Denn der Ort, von dem er kommt, ist nicht schön. Es ist ein Abfallprodukt all dessen, was wir niemandem offenbaren. Ein hässlicher Ort, an den einst schöne Dinge geschickt wurden.
Und manchmal kommen diese Dinge zu uns zurück.
Aus dem Sumpf toter Gedanken.