(…) Jeder sagt mir es sei in Ordnung, jeder sagt mir es wird mir gut gehen. Alles ist nicht scheiß okay, aber sie können mir nicht sagen, warum. (…)

Nichts ist in Ordnung – vielleicht war es das nie und wird es auch nie sein. Sie meinen es nur gut, wenn sie dir sagen, dass du darüber hinwegkommen wirst. Dass es dir besser gehen wird. Dass es in Ordnung ist. Aber was ist schon in Ordnung?

Wer hört dir zu, wenn du sagst, wie schwer das alles für dich ist? Wer hilft dir beim Tragen, wenn du das Gewicht der Welt auf deinen Schultern trägst? Wer hört die Stille zwischen deinen Worten, wenn du aufgeben willst?

Denn ein Teil von dir will genau das; aufgeben. Weil dich von innen heraus etwas auffrisst. Du willst aus deiner Haut, schaffst es aber nicht. Bist ein Gefangener in einem Käfig aus Fleisch und Knochen. Etwas in dir will heraus, will beachtet werden. Aber es geht nicht. Es muss unter der Oberfläche bleiben. Denn wenn du es hervorholen würdest, würdest du daran zerbrechen. Es würde dich mit Haut und Haaren verschlingen.

Also drückst du es weiter unter die Oberfläche – hoffst es zu ertränken. Aber den Gefallen tut es dir nicht. Es wird nicht einfach verschwinden. Es hat dir etwas zu sagen, und bevor du nicht genau hinhörst, wird es es weiter kämpfen und sich durch dich hindurch wühlen.

(…) Also habe ich mich mit all meinen Dämonen angefreundet, sie ihre Zähne in mich stoßen lassen, mich an das Gefühl gewöhnt loszulassen. Also gib mir etwas, an das ich glauben kann, oder stoß mich ins kalte Wasser – mit geschlossenen Augen fühlt sich alles gleich an. (…)

Denn genau das tut es; sich alles gleich anfühlen. Schwer. Leer. Taub. Egal, was du tust. Das einzige, worum es wirklich geht, ist zu betäuben. Zu betäuben und zu verdrängen. Der ganze Scheiß, den du seit Jahren mit dir herumträgst. Der dich nachts wach hält und dir tags die Energie raubt. Der sich immer weiter in einem tiefen Loch angesammelt hat, bis es überzuquellen drohte. Den du nicht wagst, hervorzuholen, weil du deine dunkelsten Stunden dort vergraben hast.

Doch mit der Zeit wurde es immer mehr und der Platz, den du dem ganzen gegeben hast, reichte nicht mehr aus. Es quoll über in andere Bereiche – breitete sich wie ein Geschwür immer weiter aus. Denn genau das war es mittlerweile; ein Geschwür. Hässlich, bösartig, tödlich.

Um es zu entfernen, müsstest du sämtliche Bereiche deiner Selbst beleuchten – vielleicht auch Bereiche, die lieber im Dunkeln bleiben sollten. Du müsstest tief graben und präzise vorgehen, denn es ist so tief mit dir verankert, dass du Teile deiner Selbst entfernen würdest, solltest du das Geschwür einfach herausschneiden wollen.

Über diesen Punkt bist du längst hinaus. Es lässt sich nicht mehr einfach so entfernen – dafür hast du ihm zu lange die Möglichkeit gegeben, ungestört zu wuchern. Hast es sich ausbreiten und Überhand übernehmen lassen. Es sich an dir nähren und laben lassen. Und ihm den Raum und die Macht gegeben, dich zerstören zu können.

Und vielleicht tust du genau das; dich zerstören lassen von etwas, das seit Jahren in dir ist und dem du keine Beachtung schenken wolltest. Hast dich lieber betäubt – mit Alkohol, Medienkonsum, Videospielen. Hast alles verschlungen, damit dein Kopf voll war und du dich nicht mit dem auseinandersetzen musst, was wichtig gewesen wäre.

Und all das soll in Ordnung sein? Damit soll es dir gut gehen? Vielleicht sagen sie diese Dinge nur, weil sie nicht wissen, was sie bedeuten. Weil sie nicht wissen, was sie sonst sagen sollen. Weil sie entweder maßlos überfordert sind, oder gar nicht wirklich wissen, was überhaupt los ist.

(…) Denn alles verändert sich, Erinnerungen verblassen. Sag mir, dass ich am Arsch bin. Ich möchte hören, wie du es sagst. Alle meine Ängste ordnen sich langsam neu, habe sie aber alle beiseite geschoben – ich spüre, wie sie warten. (…)

Darauf, dass sie über dich herfallen können. Es gibt Momente, in denen du denkst, es sei besser, einfach alles hinzuschmeißen. Dich deinem Innersten hinzugeben und dich zerstören zu lassen, bis nichts mehr von dir übrig ist. Du bist es leid hören zu müssen, dass das in Ordnung sei und es dir gut gehen wird. Es ging dir nie wirklich gut – auch schon vor dem ganzen Mist nicht.

Diese eine Sache hat sich nie verändert. Ebenso wie die Tatsache, dass sie dich nicht verstehen. Haben sie nie, und werden sie wahrscheinlich nie. Denn du bist anders als sie. Trägst Dämonen und ein unsichtbares Geschwür in dir, das dich töten könnte, wenn du es zulassen würdest. Aber du kämpfst jeden Tag dagegen an.

Jeden. Einzelnen. Gottverdammten. Tag.

Gegen den Drang, hinzuwerfen und aufzugeben. Nicht mehr zu kämpfen. Unterzugehen.

Aufzuhören, Schmerz mit anderem Schmerz zu betäuben. Verzweifelt auf der Suche zu sein, irgendetwas zu fühlen. Die Dämonen gewinnen zu lassen.

Und alles, was sie sagen, ist, dass es in Ordnung sei und es dir gut gehen wird. Aber du weißt es besser. Denn manchmal ist alles eben nicht scheiß okay.

Und das ist verdammt okay.

(Songzitate aus »Deep End« von I Prevail)