Eigentlich wollen wir alle nur von jemandem geliebt werden. Einen Menschen an unserer Seite haben, mit dem wir durch dick und dünn gehen können und der uns so liebt, wie wir sind. Mit all unseren Ecken und Kanten, Macken und Problemen. Jemanden, zu dem wir gehen können, wenn es uns schlecht geht. Der uns auffängt, wenn wir ins Straucheln geraten. Der mit uns alle Hindernisse überwindet, ohne unsere Liebe jemals in Frage zu stellen.
Doch gibt es so jemanden überhaupt? Kann man wirklich bedingungslos lieben?
Manche suchen so verzweifelt nach Liebe, dass sie beinahe alles dafür tun würden, um sie zu bekommen – denn Liebe ist existenziell. Ohne sie verkümmert unsere Seele. Was also ist der Preis dafür, geliebt zu werden?
Wenn von Liebe gesprochen wird, geht man in der Regel davon aus, dass es sich um etwas schönes handelt. Geborgenheit. Fürsorge. Verständnis. Doch leider ist das nicht immer der Fall. Liebe kann chaotisch sein. Einengend. Verletzend.
Wie bei allem gibt es auch in der Liebe eine Kehrseite. Wenn man sich auf eine Beziehung einlässt, birgt das immer auch ein gewisses Risiko. Die Dinge, die man jemandem anvertraut, bekommt man nicht mehr zurück. Genauso wenig wie die Zeit, die man investiert hat. Mit jeder Information mehr, die man über sich Preis gibt, macht man sich verletzbar. Und Verletzbarkeit macht angreifbar.
Jeder muss für sich selbst entscheiden, ob es ihm dieses Risiko wert ist – denn nicht immer verlaufen oder enden Beziehungen positiv. Ich muss darauf vertrauen, dass mein Gegenüber Gesagtes nicht weiter erzählt oder irgendwann gegen mich verwenden wird.
Doch wenn ich nichts von mir preisgebe, wie soll mich dann jemand uneingeschränkt lieben können? Also gehe ich das Risiko ein. Weil ich gesehen werden will – als der Mensch, der ich bin. Der ich sein möchte. Ich zeige mich meinem Gegenüber, mache mich nackt. Gebe ihm zu verstehen »hier bin ich und das bin ich«. Nicht das, was du denkst, das ich bin. Nicht das, was die Gesellschaft mir vorgibt zu sein. Nein, einfach nur ich. Wie ich bin, was mich ausmacht, was ich bereit bin zu geben.
Ich gebe gerne die extra Portion Liebe, die jemand benötigt. Ich bin gerne da, wenn man mich braucht. Ich habe gerne ein offenes Ohr und eine Schulter zum Anlehnen, wenn jemand niedergeschlagen ist. Ich helfe gerne, wenn es mir irgendwie möglich ist. Weil das bin ich. Diese Herzlichkeit, diese Empathie – das sind Dinge, die mich ausmachen. Ich bin damit schon oft vom Weg abgekommen und habe so manchen Leidensweg dafür in Kauf nehmen müssen – aber ich würde nichts ändern wollen.
Ich bin gerne der Mensch, der ich bin. Selbst vermeintliche äußere Makel machen aus mir keinen schlechteren Menschen – vielleicht sogar eher das Gegenteil; denn ich habe Verständnis dafür, wenn Menschen anders sind. Sowohl innerlich als auch äußerlich. Erst das macht uns doch individuell.
Menschen, die vom Leben gezeichnet wurden, haben eine andere Sicht auf die Dinge. Etwas, dass sie anziehend macht. Dass sie besonders macht. Dass sie liebenswert macht. Die Dunkelheit, die sie in sich tragen, ist faszinierend. Das Wissen, wie grausam das Leben sein kann, und doch nicht den Mut und die Kraft zu verlieren, weiterzumachen, ist eine ganz andere Art von Stärke.
Sie sind so wunderschön – können es aber leider meist selbst nicht sehen. Solche Menschen sind so selten geworden. Doch wenn man ihnen begegnet, ist es so, als würde man sich schon ewig kennen. Es gibt eine Verbindung, die sich nicht erklären lässt. Ich kann fühlen, dass dort etwas ist, was das Auge nicht wahrnehmen kann.
Auch diese Art von Verbindung ist eine Form der Liebe – denn es gibt mehr als nur eine davon. Zuwendung zeigt sich in so vielen verschiedenen Facetten. Wenn wir genauer hineinfühlen, werden wir es spüren.
Vielleicht gibt es keine bedingungslose Liebe, aber es gibt reine Formen der Liebe, die dem ziemlich nahe kommen. Wenn wir bereit sind, unsere Zweifel und schlechten Erfahrungen hinten anzustellen und uns zu öffnen, können wir die höchste Form der Liebe erreichen, die es gibt.
Mag sein, dass das ein gewisses Risiko birgt, aber ist das nicht bei allem anderen im Leben auch so? Und wenn wir nicht bereit sind, dieses Risiko für die Liebe einzugehen – für was dann?