Jeder kennt es;»Ich packe meinen Koffer und nehme mit…«. Sinnbildlich, ein Spiel. Was ist aber, wenn wir das auf unser Leben übertragen und hinterfragen, was wir wirklich brauchen? Ob wir das alles wirklich brauchen?

Im Leben stehen wir immer wieder vor Umzügen – mal vor größeren, mal vor kleineren. Manchmal auch eher metaphorisch. Und jedes Mal kommt wieder die Frage auf: Was nehme ich mit und was kann weg? Was ist mir wichtig, und was ist nur unnötiger Ramsch, der sich über die letzten Jahre hinweg angesammelt hat? An was hängt mein Herz wirklich und was habe ich vielleicht lieb gewonnen, lag aber all die Jahre irgendwo in einer Ecke und wurde nicht angeschaut?

Aber jetzt, wie es so vor mir liegt, spüre ich Wehmut in mir aufkeimen und kann mich nicht davon trennen. Wieso nicht? Letztlich ist es nur ein weiteres Teil der Vergangenheit, das in dem neuen Zuhause genauso einstauben wird wie in den letzten Jahren. Ein Sinnbild für dein Leben.

In all den Jahren sammeln sich unzählige Dinge an, die wir dann in Kisten packen, irgendwo verstauen und manchmal erst nach weiteren Jahren wieder hinein lugen, wenn sie uns durch Zufall bei einem weiteren Umzug begegnen.

Wir finden Dinge, die wir schon längst verloren geglaubt haben. Sie wecken Erinnerungen in uns – schöne, traurige. Es ist, als würden wir einem alten Freund begegnen, uns eine Weile mit ihm niederlassen und plaudern. Aus alten Zeiten. Und dann lassen wir ihn wieder gehen und bleiben schweren Herzens alleine zurück.

Wird dieser Freund wiederkommen? Wird er eine bittersüße Erinnerung bleiben und wir haben ihn das letzte Mal gesehen, ohne zu wissen, dass es das letzte Mal war? Was nehme ich mit in diesen neuen Lebensabschnitt und was lasse ich wissentlich hinter mir – der Tatsache bewusst, dass es Momente geben wird, in denen ich Zurückgelassenem hinterher trauern werde?

Fakt ist, wir können nicht immer alles mitnehmen. Ausmisten kann sehr wohltuend sein, auch wenn es vielleicht erst einmal wehtut. Aber das darf es auch. So viele Erinnerungen, so viele Jahre, die uns diese Dinge begleitet haben. Sie erzählen Geschichten, wecken Emotionen in uns und lösen Gedanken aus.

Aber diese sind nicht an Gegenstände gebunden. Ja, sie können uns dabei helfen, uns zu erinnern, aber letztlich sind die Erinnerungen tief in uns verwurzelt und somit ein Teil von uns. Nur weil wir den Gegenstand verlieren, heißt es nicht, dass wir auch die Erinnerungen verlieren, die damit verbunden sind.

Sie bleiben – auch wenn Gegenstände es vielleicht nicht tun. Wenn wir es schaffen, Dinge hinter uns zu lassen und uns von ihnen zu lösen, schaffen wir auch Platz für neues. Kiste um Kiste stapeln wir unser Leben aufeinander, bis wir irgendwann den Überblick verlieren und vor einem chaotischen, überfüllten Raum stehen, in den nichts mehr hinein passt.

Das passiert, wenn wir achtlos alles in Kartons werfen und nicht darauf achten, was überhaupt darin ist und ob wir das wirklich noch brauchen. Manches geht vielleicht zu Bruch, weil es nicht richtig verpackt wurde.

Unzählige Kisten, gefüllt mit Chaos, Erinnerungen und Müll, reihen sich aneinander und warten darauf, dass man sich wieder mit ihnen beschäftigt. Doch meistens sind sie dazu verdammt, langsam verstaubend in Vergessenheit zu geraten.

Bis wir uns eines Tages fragen, welch schwere Last auf unsere Schultern drückt und die vergessenen Kisten zu Ballast werden. All die Jahre wurden es immer mehr Kisten und die Last wurde so schleichend schwerer, dass wir es nicht mal bemerkt haben.

Und dann stehen wir plötzlich da und fragen uns, wie all das passieren konnte. Wann es in unserem Leben den Punkt gab, ab dem alles den Bach herunter ging. Ob es so einen Punkt gab. Wir gehen gedanklich jede Weggabelung zurück und suchen die eine Abzweigung, an der wir falsch gelaufen sind.

Bis uns schlagartig wieder unser Archiv an Kisten einfällt. Wir wühlen und suchen darin, in der Hoffnung, etwas brauchbares zu finden, was uns zur Genesung verhelfen kann. Doch das einzige, was wir damit erreichen, ist noch mehr Chaos. Manchmal so groß, dass man es alleine kaum mehr bewältigen kann.

Dann muss man den Mut aufbringen, um Hilfe zu bitten und wenn man eine Hand gereicht bekommt, diese auch zu greifen. Zusammen ordnet man Kiste um Kiste – sortiert aus, packt um und bringt sie anschließend an einem sicheren Ort unter. Das braucht Zeit – oft sehr viele Jahre. Und am Ende wird man feststellen, dass ausmisten gar nicht so schlimm ist, wie man anfangs glaubt.

Wir alle sollten von Zeit zu Zeit mal den Mut aufbringen, auszusortieren. In uns drin – um uns herum. Unsere Kisten packen mit dem, was wirklich wichtig ist. Und alles andere überdenken, ein letztes Lächeln schenken und dann hinter uns lassen. Mit einem guten Gefühl. Und wenn uns ab und an die Wehmut oder Melancholie besuchen kommt, heißen wir sie willkommen und trinken einen heißen Tee mit ihr.

Also: Wann hast du zuletzt so richtig ausgemistet?