Wer bist du? Ein geheimnisvoller Schönling, welcher mir alle Wünsche von den Lippen zu lesen vermag. Eine bittersüße Verführung, die mich zu Wachs in deinen Fingern werden lässt. Eine Trophäe, die ich in meiner Sammlung wissen möchte. Anmutiges Wild, welches ich jagen will, zum Spaß, als Eroberung. Doch wer jagt eigentlich wen? Du mich oder ich dich?

Du bist so schlau, weißt für alles einen Rat. Hörst mir zu, bist an meiner Seite, hilfst bei Dingen, bei denen du es nicht müsstest. Für mich. Weil du mich so sehr liebst. Weil unsere Begierden dieselben sind und zu einer verschmelzen. Oh, welch lieblicher Duft von süßen Früchten in einem Paradies. Ein Traum von Mann, für den ich alles geben würde. Eine reine Seele, hell erleuchtet, mit einer Anziehungskraft gleichend der einer Lichtquelle für eine Motte. Ich werde von dir angezogen, in deinem Bann gehalten.

Du erfüllst meine Bedürfnisse und stillst mein Verlangen. Du kennst mich – gut. Weißt von meinen Stärken, meinen Schwächen, meiner Vergangenheit, meinen Zukunftsplänen. Du weißt nahezu alles über mich und kennst mich manchmal besser, als ich mich selbst. Welch Glück ich doch hatte, dich kennen und lieben zu dürfen. Die eine Auserwählte, welche du an deiner Seite wissen möchtest. Ich bin gut und wie geschaffen für dich. Gut genug?

Bereits fest in deinem Bann kommen die ersten harschen Worte auf. Verwirrung. Ich halte inne. War es meine Schuld? Was habe ich falsch gemacht? Nun gut, es tut mir leid, mein Liebster. Entziehe dich mir nicht, sei mir nicht böse. Ich werde mich bessern, versprochen. Doch hör nicht auf mich zu lieben, meine Bedürfnisse zu befriedigen. Ich brauche dich doch so sehr. Wirklich? Alles ist wieder vergessen, es ist genauso schön wie zuvor. Vielleicht sogar noch schöner, wir haben den ersten Streit überwunden.

Nach einer Weile häufen sich die Anschuldigungen und Beleidigungen, die Fassade scheint zu bröckeln. Was ist passiert? Es war so wunderschön. Ich hätte dich nicht in Frage stellen dürfen, es war meine Schuld. Geh nicht, bitte. Ich bin dir unterwürfig, tue alles für dich. Es war ein Fehler, nur ein dummer Fehler. Verzeih mir. Ich werde mich ändern, das wird nie wieder vorkommen. Ich gehöre nur dir, bin dir allein untergeben. Aua, tu mir nicht weh, das habe ich nicht verdient. Vielleicht doch?

Der raue Ton wird zur Tagesordnung. Warum tust du das? Bin ich nicht gut genug? Was muss ich tun, damit es wieder so wird wie am Anfang? Siehst du nicht, ich strenge mich so sehr an und lege dir den Himmel zu Füßen. Sieh nur, ich habe dir etwas mitgebracht. Schau nur, ich habe dir einen Gefallen getan. Ich soll mich mehr anstrengen? Aber natürlich, für dich tue ich das doch gerne. Ich liebe dich nicht? Natürlich liebe ich dich, ich bin dir komplett verfallen. Sieh nur, wie hilflos ich ohne dich bin. Gefällt dir das?

Dein süßes Gift, welches du mir immer wieder verabreicht hast, pulsiert durch meine Adern und vernebelt mir den Verstand. Bin ich schuld? Selbstzweifel verstreuen sich. Du musst über uns nachdenken? Nein, bitte nicht. Es war meine Schuld, ich hab nicht genug aufgepasst. Ich bin nicht gut genug, ich muss etwas tun. Dir beweisen, wie sehr ich dich liebe. Lass mich nicht allein, ich bin von dir abhängig. Wieso tust du mir das an? Ich habe dir nichts getan, war dir immer unterwürfig. Aua, nein, tut mir leid. Ich hätte dich nicht hintergehen dürfen. Du bist schließlich alles für mich. Liebe mich, bitte. Gib mir mehr von deinem Gift. Mehr, mehr. Du bist meine Droge. Eine unwiderstehliche Verführung. Ich lasse die Konsequenzen außer acht, will doch nur den Rausch spüren. Gib mir noch eine Dosis – bitte!

Zu nah? Entschuldigung, tut mir leid. Bitte tu mir nicht weh, ich wollte das nicht. Aua, nein, bitte hör auf. Lass mich in Ruhe!

Nein, nein … bleib hier, geh nicht weg! Ich liebe dich doch. Du liebst mich auch. Oder nicht?

Du schubst mich hin und her, spielst mit meinen Gefühlen und Bedürfnissen. Unterbewusst weiß ich das, aber irgendwas hält mich bei dir. Deine Anziehungskraft, so stark. Den Rausch, den ich deiner Nähe verspüre. Doch deine Worte und Taten verunsichern mich. Weiß nicht weiter. Was soll ich tun? Kann niemandem davon erzählen. Wenn du es raus findest? Nein, oh nein. Aua. Nein, war nicht so gemeint – ein Gedanke, nur ein Gedanke. Bleib, bitte bleib, ich kann nicht ohne dich. Oder doch? Nein, nein, böser Gedanke. Darf so nicht denken.

Jemand anderes angesehen? Nein, aber … Er ist doch nur … Nein, es tut mir leid, bitte verzeih. Ich hätte ihn nicht so ansehen dürfen, natürlich. Aua. Verdient.

Ich fühle mich schlecht, der Rausch schwächt ab. Mir wird kalt, ich zittere. Mein Gemüt färbt sich dunkel. Ich solle mich nicht so anstellen? Mich zusammen reißen? Ich habe Schmerzen, du kannst nicht alles mit mir machen! Dir hat niemand die Stirn zu bieten? Ich schon, bin nicht dein Blitzableiter! Androhung von Gewalt? Du machst mir keine Angst, ich bin stark! Bin ich das wirklich?

Die einst so süße Droge wurde zur Sucht mit verheerenden Nachwirkungen. Aua. Du bist sauer auf mich, verständlich. Ich halte das nicht mehr aus. Diese Spiele. Wer spielt mit wem? Wer bist du? Ich habe Angst. Ich brauche meine Droge. Muss gehorchen, darf nicht auffallen. Du könntest es merken, ich muss aufpassen. Oh, wie sehr ich mich nach dem Rausch sehne, nur noch ein einziges Mal. Nein, muss clean bleiben, bei klarem Verstand. Nur ein kleiner Schuss? Na gut, nur eine Kostprobe. Ein kleines bisschen, um mich besser zu fühlen. Das Gift durchströmt meinen Körper und ich spüre den Kick. Es war viel, zu viel. Was habe ich getan? Ich habe einen Fehler gemacht, das darf nie wieder passieren. Aua. Bitte nicht, hör auf damit. Aua. Das Gift macht mich gefügig.

Angst. Lähmung. Ich stehe neben mir. Wage kaum noch zu atmen. Aua. Es ist alles so schlimm, aber ich kann mich nicht losreißen. Ich bin in deinen Fängen, du hast mich fest in der Hand. Aua. Eine zu feste Bewegung und du bestrafst mich wieder – aua. Warum tust du mir das an? Aua. Was habe ich falsch gemacht? Aua. War es meine Schuld? Aua. Wir können nicht … Wir – nein. Halt. Aua. Hör auf – aua – lass das! Nein, aua. Du – wir. Nein – AUA!

Die Droge, welche du mir verabreicht hast, war Gift, welches sich schleichend durch meine Venen gefressen und mich von innen heraus zerstört hat. Ich war dem Rausch verfallen, weswegen du mich fest im Griff hattest. Du hast mit meinen Bedürfnissen gespielt und mich manipuliert. Ich bin süchtig geworden und wurde von dir abhängig. Diese Erkenntnis kam viel zu spät – doch für dich war sie von Anfang an da. Erst durch meine Gefühle und Sehnsüchte konnte ich zu deiner Spielfigur werden.

Du hattest es von Anfang an geplant, warst nur auf der Suche nach einem neuen Opfer. Ich habe dich wirklich und aufrichtig geliebt – und genau das hat mich erst angreifbar gemacht. Meine Verletzbarkeit diente dir als Angriffsfläche. Ich habe dir das Wertvollste anvertraut, was ich besitze – und du hast es schamlos ausgenutzt und gegen mich verwendet. Du hast mich nie wirklich geliebt – alles nur Heuchelei und Lüge, um mich bei dir zu halten. Um dich von mir zu nähren. Von mir zu profitieren.

Du hast nicht mit so viel Widerstand gerechnet, aber ich bin stärker als du denkst. Stark genug, um die Opferrolle aufzugeben und Verantwortung zu übernehmen. Stark genug, mich von dir befreit zu haben und die Wunden, die du hinterlassen hast, zu heilen. Stark genug, von dir und meiner Geschichte erzählen zu können, um anderen damit zu helfen.

Der Entzug hat lange gedauert und war schmerzhaft, aber ich habe ihn überstanden. Ohne deine widerliche Droge und deine perfiden Gelüste. Auch wenn die Angst noch Monate anhielt, hat sie es dennoch nicht geschafft, mich aufzuhalten. Du hast es nicht geschafft. Vielleicht verschafft es dir Genugtuung, dass ich einen Teil des Kampfes verloren habe – du scheinbar gewonnen hast. Aber den viel größeren Gewinn habe ich erzielt.

Ich habe Stärke und Reife erhalten, die ich vorher nie für möglich gehalten hatte. Ich werde die Höllenqualen nie vergessen, die du mich hast durchleben lassen, aber sie werden mich auch daran erinnern, dass ich stark genug war, dir das Wasser zu reichen. Stark genug war, mich eigenhändig aus deinen Fängen zu befreien. Sie werden mich ein Leben lang daran erinnern, dass ich stark genug war, dich zu überleben und mir ein Leben danach aufzubauen. Beim ersten Hinsehen könnte man meinen, dass du den Kampf gewonnen hast, den ich so viele Jahre geführt habe. Aber letztlich habe ich viel mehr gewonnen, als du es jemals verstehen wirst.

Denn ich habe mein Leben wieder.