Wut. Leere. Resignation. Nur eine Auswahl von vielen, auf einer riesigen Palette. Es sollte anders sein, sich etwas ändern. Normale Rollenverteilung, normale Konversationen. Doch was ist schon normal? Gedanken schweifen ab, zu Bildern vergangener Zeiten. Voller Farbe, warm, lächelnd. Nicht mehr gänzlich gefärbt, aber noch immer kräftig genug, um aussagend zu sein. Bilder von Menschen, die es nicht mehr gibt. Von Beziehungen, die nicht mehr existieren. Aus einer Zeit, die längst vergangen ist.

Einmal noch möchte ich abtauchen, in diese bunten Tiefen. Einmal noch die Liebe und Geborgenheit spüren, die heute nur noch trist ist und aufgebraucht scheint. Einmal noch in die Arme genommen werden, als wäre ich nicht schon groß und nur ein weiterer Faktor Alltag, den man abarbeiten muss.

Der Wunsch, Dinge ungeschehen zu machen und zurückzureisen – nichts weiter als eine Traumblase, die in der Alltagsluft zerplatzt wie der Ballon an einer Nadel. Manche Träume sind nicht dafür geschaffen, erfüllt zu werden. Menschen halten sich daran fest, als wären es Rettungsreifen bei einem Schiffsunglück. Vielleicht werden sie eine Weile über Wasser gehalten, aber letztlich werden auch die Rettungsreifen platzen und untergehen – die Menschen, die an ihnen hingen, mit sich in die Tiefe reißend.

Etwas zu wollen, was nicht zu erreichen ist, bringt nichts als Enttäuschung mit sich. Enttäuschung und Trauer. Und Verzweiflung. Und Schmerz. Wie ist es, ein Leben lang etwas hinterherzujagen, von dem man weiß, dass es nie für einen bestimmt war? Dessen Bedeutung einem schlichtweg verwehrt wurde? Es tut weh. Sehr weh.

Andere zu sehen, mit dem, was du nie hattest. Was du hättest haben können, aber nicht solltest. Noch immer rennst du dieser Vorstellung nach, in einem krankhaften Wahn aus Sehnsucht und Verzweiflung. Klammerst dich an jedes Wort, obwohl du weißt, dass es belanglos ist. Es sind wenige von vielen – hätten tausende sein können. Und anschließend ärgerst du dich über dich selbst.

Was anderes erwartet zu haben. Gedacht zu haben, es würde sich etwas ändern. Menschen ändern sich nicht – schon gar nicht einfach. Worte nur leere Hüllen, schön verpackt. Eine Schleife hier, ein Bändchen dort. Nichts als Lügen. Vielleicht keine Lügen, aber auch keine spürbare Wahrheit.

Etwas in dir verkümmert. Du bist nicht länger erwünscht, wirst nur ertragen. Eine Enttäuschung für all jene, die es weiter als du gebracht haben. Dabei möchtest du doch nur einmal hören, wie wichtig du bist. Wie sehr du geliebt wirst. Und es auch fühlen. Für leere Worte ist nichts mehr übrig. Doch tief im Inneren weißt du, dass es sich nicht ändern wird. Du verrennst dich in eine Sache, die außer Kontrolle gerät. Dabei wolltest du nie wieder die Kontrolle verlieren.

Denn Kontrollverlust bedeutet Schwäche. Aber du bist nicht schwach. Du weißt, wie man überlebt. Wie man Kämpfe führt. Wie man allein klar kommt. Niemand war da, um dich aufzufangen. Niemand, der deine Tränen getrocknet hat. Das hast du alleine geschafft. Hast dir so oft gewünscht, dass es anders gelaufen wäre. Du diese Stärke einfach nicht gebraucht hättest.

Bilder zeichnen deinen Geist – von dem, was war. Was hätte sein können, wäre es anders gewesen. Doch bedeutet anders auch gleich besser? Nur weil man glaubt, dass etwas besser gewesen wäre, wäre es anders gelaufen, bedeutet das nicht, dass das auch der Wahrheit entspricht. Man kann nicht wissen, wie es sein würde, hätte man einen anderen Weg eingeschlagen. Alles Hirngespinste, lediglich Wenn’s und Aber’s. Eventualitäten in einer Welt voller Pflichten und Zwänge. Für langjährige Träume kaum Platz. Ebenso wenig wie für Bedauern.

Willst du etwas ändern, tu es. Wenn nicht, verschwende keine weiteren Gedanken daran. Weder jetzt, noch in Zukunft. Frage dich nicht, wie es gewesen wäre oder hätte sein können, sondern akzeptiere die Gegenwart und vielleicht wirst du sie irgendwann sogar wertschätzen können. Die Vergangenheit ist fort, mitsamt den Menschen und Momenten darin.

Alles was bleibt, sind Erinnerungen. Schöne, schreckliche. All das ist ein Teil von dir und macht dich zu genau dem Menschen, der du heute bist. Das kann gut sein. Das kann schlecht sein. Aber es ist vor allem eins: Existenziell.

Denn du bist nicht fort.