Ich flüchte mich in eine fiktive Welt, um meiner eigenen zu entkommen. Jeden Tag sehe ich mir Filme oder Serien an, in denen fiktive Charaktere ein Leben voller Abenteuer und Gefahr leben – ein erfülltes Leben zu haben scheinen. Einige Dinge sind realistisch und nachvollziehbar, andere hingegen sind übernatürlich und existieren nur auf dem Bildschirm.

Ich lenke mich ab, von einem trostlosen Leben, in dem jeder Tag gleich aussieht. Entfliehe der tödlichen Routine, indem ich mich in ein anderes, ausgedachtes Leben hineindenke. Ich stelle mir vor, wie es wäre, eines dieser Leben zu führen, die sich andere Menschen für die Leinwand haben einfallen lassen. Ein Leben gefüllt mit explosiven Emotionen, nicht zu wissen ob man das Morgen überlebt oder was als nächstes kommt. Ständig auf der Hut sein zu müssen. Täglich um seine große Liebe kämpfen zu müssen, ohne die Gewissheit, wie lange man einander haben wird – gar nicht auszudenken in unserem jetzigen Leben.

In dem vieles sicher zu sein scheint. Aber vielleicht ist auch genau das der Fehler, den ein Großteil der Menschheit macht: sich sicher fühlen. Denn man kann sich nicht sicher sein; weder hier, noch in der fiktiven Welt. Man weiß nie, wie etwas ausgehen wird, bis man es nicht gesehen hat.
So kann ich mir auch nicht sicher sein, ob ich morgen noch meine Arbeit habe, ob mein Partner mich morgen noch liebt, oder gar ob ich morgen noch lebe.

Wer weiß schon, was das Morgen mit sich bringt? Ich weiß es nicht. Ich kann es nicht sagen, wie lange mir noch bleibt, ob es immer richtig ist, was ich tue, oder ob ich schon alles dafür getan habe, ein erfülltes Leben leben zu können.

Letztlich haben wir ziemlich wenig Einfluss darauf, was alles passiert – oder passieren könnte. Woher wissen wir, dass das, was wir auf unseren Bildschirmen sehen, nicht eigentlich die Wirklichkeit ist, wir es nur nicht wissen? Oder vielleicht auch gar nicht wahrhaben wollen? Zu oft verschließen wir die Augen vor Dingen, die eigentlich unsere ganze Aufmerksamkeit fordern. Warum also nicht jetzt mit dem Hinsehen anfangen?

Vielleicht leben wir schon längst so ein Leben, welches uns im Fernsehen gezeigt wird. Woher kann ich wissen, was wirklich Realität, und was Fiktion ist? Ich schaue mir etwas an, beneide andere um das, was sie haben, und flüchte mich wehleidig in eine zweite, von mir erschaffene Realität. Eine fiktive Realität, die nur für mich existiert. Früher habe ich mich in eine Parallelwelt geflüchtet, indem ich Bücher gelesen, regelrecht verschlungen habe – heute sind es überwiegend Filme und Serien. In Büchern jedoch haben wir die Möglichkeit, uns eine noch freiere fiktive Realität zu schaffen. Eine Welt, die allein uns gehört – weil sie in unserem Kopf existiert und kein anderer dort Zutritt hat, außer uns selbst. Ein Paradies, aus dem wir niemals vertrieben werden können. Zu schön, als dass es Realität sein könnte. Doch dabei verlieren wir das Allerwichtigste meistens aus den Augen...

Woran viele auch gar nicht denken, ist, erst einmal darauf zu schauen, was wir selbst eigentlich besitzen. An Fähigkeiten, an besonderen Menschen in unserem Umfeld, an Dingen, für die es sich zu leben lohnt. Ich weiß nicht, wie viele Menschen es da draußen gibt, die mich für genau das beneiden, oder mich vielleicht sogar dafür bewundern, was ich besitze, was ich mir aufgebaut habe. Vielleicht bin ich sogar ein Mensch, der für andere ein Vorbild ist und diese weitermachen lässt. Vielleicht besteht sogar die Chance, dass es Menschen gibt, die zu mir aufsehen und in mir eine Quelle ihrer Kraft sehen. Auch wenn es nur ein einziger Mensch sein sollte, auf den das zutrifft, lohnt es sich allein dafür, weiterzumachen. Vielleicht ist es genau das, was uns erst durch diese Flucht in eine andere Realität deutlich gemacht werden soll; dass wir, egal an was wir glauben oder was wir durchmachen, ein lebenswertes Leben haben, voller Magie, mit Menschen darin, die uns brauchen und lieben. Und wenn es sich nicht dafür zu leben lohnt – wofür dann?!