Sie war eben noch da. Diese unbändige, alles versengende Wut. Und jetzt ist da… nichts mehr. Wenn diese dumpfe Leere kommt, ist sie noch schlimmer als alles andere zuvor. Die Wut ist nahezu unkontrollierbar. Sie will raus und zerfleischt alles, was sich ihr in den Weg stellt. Sie ist scharfzüngig. Unberechenbar. Rasend.

Sie verwandelt den Wirt, in dem sie haust, zu einer Furie, die keine Absichten hat als jene, zu verletzen. Sie schlägt um sich und vergießt Blut, wo sie nur kann. Sie will den Schmerz, den sie selbst empfindet, anderen zufügen und sie genauso leiden sehen wie sich selbst.

Aber diese Leere… ist übermächtig. Sie ist erdrückend. Und stickig. Und schmerzhaft. Sie hinterlässt ein riesengroßes, klaffendes Loch – die Brust zieht sich schmerzhaft zusammen. Der heiße Ballon, der eben noch gegen den Brustkorb drückte, ist zerplatzt und hat Platz geschaffen für diese ekelhafte Leere. Beim Zerplatzen hat der Ballon dein Herz in tausend Teile zerspringen lassen.

Sie schimmern auf dem Grund deiner Seele und ziehen bei jedem Atemzug tiefe Furchen in dein Inneres. Du weißt, dass etwas in dir zerbrochen ist. Du kannst es fühlen. Das Gefühl, zu ersticken raubt dir noch zusätzlich den Atem. Dein ganzer Körper zittert. Du versuchst dich an irgendetwas zu klammern, dich an etwas festzuhalten.

Und sei es nur so etwas blödes wie eine Handyhülle. Die Kanten schneiden dir in die Finger, erzeugen einen angenehmen Schmerz. Du drückst fester zu. Dein Gesicht zu einer hässlichen Fratze verzogen, gezeichnet von all den Tränen, die du in den letzten Minuten vergossen hast. Du drohst an ihnen zu ersticken.

Deine Brust schmerzt und du bekommst kaum noch Luft. Gedanken überschlagen sich, sämtliche Gefühle übermannen dich. Verzweiflung, Hass, Wut, Hilflosigkeit, Traurigkeit, Enttäuschung… Du glaubst, nie wieder mit dem Weinen aufhören zu können. Immer wieder fließen neue Tränen über deine Wangen, die du nicht stoppen kannst. Sie wollen einfach nicht versiegen.

Doch ganz plötzlich… wird es still in dir. Die Gedanken hören auf zu toben, alle Gefühle sind wie ausgelöscht. Ein Teil von dir scheint wie… gestorben. Begraben, irgendwo tief in dir. Du fühlst in dich hinein, aber …
Da ist.
Nichts.
Mehr.

Diese Stille, diese Leere, ist so ohrenbetäubend, dass sie dir alle Sinne raubt. Du starrst in die Leere und sie starrt in dich zurück. Hinterlässt eine Spur in deinem Inneren – für immer gezeichnet von diesem Moment. Du bist nicht mehr fähig, zu fühlen. Du solltest, aber du tust es nicht. Es sollte dir Angst machen, doch das tut es nicht. Du willst den Schmerz fühlen, der sich durch deine Eingeweide wühlt, aber du tust es nicht.

Diese Leere ist noch so viel schlimmer als das. Du hast deinen Körper verlassen und schaust nur noch hinter einer Glasscheibe zu, was passiert. Dein Verstand fühlt sich an, als wäre er mit Wattebäuschchen gefüllt. Das Denken fällt dir schwer. Alles in dir ist träge. Müde. Leer.

Nichts ist schlimmer als diese Leere – wenn nichts mehr geht. Weder innen, noch außen. Eben noch hast du dich gefühlt, als könntest du allein mit deinem Gefühl ganze Städte niederbrennen – aber jetzt ist es so, als hätte dich jemand niedergebrannt. Als wärst du nur noch ein leeres Gerüst, dessen Bewohner schon vor langer Zeit gegangen sind. Die Lebensfreude, die einst die Mauern füllte. Das Gelächter, das von den Wänden widerhallte. Die Liebe, die aus dem Gemäuer erst ein Zuhause machte – alles fort…

Worte, Gerüche, Berührungen – alles spielt keine Rolle mehr. Du nimmst es nicht mehr wahr. Du bist nicht mehr da. Eins geworden mit der vollumfänglichen Leere um dich herum, hast du aufgehört, zu existieren.

Dunkelheit legt sich über dein Herz – wirft Schatten, die bis tief in deine Seele vordringen. Sie verschlucken dich – und du gibst dich ihnen bereitwillig hin. Was hast du denn noch zu verlieren? Den Kampf hast du bereits verloren. Teile deiner Selbst ebenso. Von Dunkelheit befleckt, die sich nicht mehr erhellen lassen werden.

Mit jedem Mal werden diese Flecken größer. Du kannst spüren, wie sie dich verändern. Du willst das alles nicht – aber es hat keine Bedeutung mehr. Zu viele Male haben dir egal werden lassen, was passiert. Was das mit dir macht. Was du zugelassen hast.

Die Leere teilt sich einen Platz mit der Dunkelheit in dir. Sie breiten sich aus – verschlingen dich immer weiter; Stück für Stück. Und du kannst nichts dagegen tun. Was solltest du auch? Vielleicht ist es auch einfach besser so…

Ausgebrannt von der Wut, gelähmt von der Leere und blind von der Dunkelheit bist du versucht, aufzugeben. Es wird doch sowieso nur auf eine Art enden. Was bringt es, darauf zu warten, gänzlich verschluckt zu werden, bis nichts mehr von einem übrig ist?

Also sitzt du da, und wartest. Unfähig etwas zu tun. Das einzige, was dich am leben hält, sind die automatisierten Lebenserhaltungsmaßnahmen deines Körpers. Dein Geist mag aufgegeben haben, aber dein Körper hat es nicht.

Was dein Verstand schon weiß, will dein Körper nicht wahrhaben. Er kämpft weiter – auch wenn du es nicht mehr tust. Tut für dich Dinge, zu denen du selbst nicht mehr fähig wärst. Deine Augen leer, der Atem flach sitzt du nur da. Die Zeit vergeht – du hast jegliches Gefühl verloren.

Körper und Geist kämpfen gegeneinander an, während alles andere im Stillstand verweilt. Mittlerweile verschmolzen mit der Leere bist du unfähig zu sagen, wo du beginnst und die Leere aufhört. Es gibt kein »entweder«, »oder« mehr. Du bist die Leere und die Leere ist du. So verweilst du – Sekunden, Minuten. Vielleicht sogar Stunden.

Und wartest. Darauf, dass sich dein Zustand verändert. Dass du wieder du wirst. Dass sich alles wieder normalisiert und so wird, wie es vorher war.

Aber vielleicht wird es das nie. Vielleicht wird die Leere immer ein Teil von dir bleiben. Vielleicht wirst du dich nie ganz von diesen Paralysen erholen. Vielleicht wird es immer einen Teil in dir geben, der von Dunkelheit erfüllt ist oder überschattet wird.

Und vielleicht ist das auch in Ordnung so – weil es immer dieses kleine Flämmchen irgendwo tief in deinem Inneren geben wird, das sagt:»Hier ist noch jemand. Gib nicht auf – noch nicht.«

Und solange irgendwo ein Lichtlein brennt, kann es keine absolute Dunkelheit geben.