Ich habe das Gefühl, wieder bei Null anzufangen. Alles, was ich mir aufgebaut habe, fällt in sich zusammen wie ein Kartenhaus. Jedes Mal bin ich es wieder, die diesen Trümmerhaufen aufbauen muss.

Meine Gedanken kreisen wie wild durch meinen Kopf und kommen nicht zur Ruhe. Man kann es mit dem Bild draußen vergleichen. Dort tobt der Sturm, sodass die Äste sich nur so biegen und die Blätter unaufhörlich durch die Luft wirbeln. Manchmal, wenn der Sturm ein paar Sekunden nachlässt, fallen die Blätter zu Boden und ruhen für eine ganz kurze Weile. Doch sobald der Wind wieder losheult, ziehen auch die Blätter wieder ihre Kreise.

An wenigen, vereinzelten Plätzen, an die der Wind kaum herankommt, oder lediglich vorbei weht, haben sich mitunter große Laubhaufen gebildet. Manche Blätter aus diesem Haufen werden von dem Wind wieder aufgefasst und hoch gewirbelt, neue Blätter kommen dazu und manche bleiben gänzlich am Boden liegen. Einige werden dort liegen bleiben, bis sie jemand aufsammelt und zur Vernichtung in einen Sack steckt, andere werden an Fußsohlen, die durch den Laubhaufen gehen, kleben bleiben und eine Weile daran verharren, während wieder andere immer und immer wieder vom Sturm neu aufgewirbelt werden.

Und genauso wie diese Blätter sind auch meine Gedanken, aufgewirbelt durch den Sturm in mir. So ein Sturm kann viele Ursachen haben, sei es nun ein Lied, ein Gespräch oder auch nur ein Wort. Und schon tobt der Sturm wieder los.

Manche Gedanken schlummern dann tief in mir, bis ich sie wieder ausgrabe oder sie losgetreten wurden. Ein Gedanke folgt dem anderen und ehe ich mich versehe, herrscht ein Wirbelsturm in mir. Oft habe ich dann Angst, dass ich einfach von ihm mitgerissen werde und keinen Halt mehr finde. Mir bleibt die Luft weg, weil ich nicht gegen den Sturm ankämpfen kann, und er so stark ist.

In solchen Momenten würde ich so liebend gerne aufgeben. Wie einfach es doch wäre, sich dem Sturm hinzugeben und sich forttragen zu lassen. Fliegen zu können, auch wenn es nur für eine Weile wäre...

Doch umso stärker der Sturm ist, desto härter ist auch der Fall, wenn er wieder nachlässt. Niemand könnte mir dann helfen, wenn ich an dem Fall zerbrechen würde, denn äußerlich sieht man mir nichts an. Körperlich bin ich gesund, mein Mund lacht und meine Stimme ist fröhlich. Diesen Kampf, den ich führe...

Dieser Sturm, der mir die Luft zum Atmen nimmt – die sind innerlich. Für mich so ohrenbetäubend laut, dass ich mich am liebsten verkriechen würde. Alle anderen haben nicht die geringste Ahnung, dass es stürmt. Für mich so stark, dass ich das Gleichgewicht zu verlieren drohe, doch alle anderen sehen mich nur kerzengerade vor ihnen stehen...

Jeder von uns hat so einen Sturm in sich, der bei der kleinsten Kleinigkeit losgehen kann. Wir wissen nie, was sich in einem anderen gerade zusammenbraut, oder ob der Sturm nicht schon längst zu einem tosenden Tornado geworden ist. Deswegen sollten wir achtsam miteinander umgehen und auch mal lauschen, wenn es um uns herum still wird – denn manchmal ist das die bekanntliche Ruhe vor dem Sturm...

Und anstatt aufzugeben sollte man sich lieber Jacke und Schal anziehen, die Kapuze überstülpen, die Füße fest in den Boden drücken und den Sturm aussitzen. Und manchmal hilft es und reicht schon, wenn man sich gemeinsam einen Unterschlupf sucht, sich eine Decke teilt und merkt; ich bin nicht allein. Es gibt jemanden, der mich wärmt und mit mir zusammen darauf wartet, dass der Sturm vorüberzieht.

Umso schöner sind dann auch hinterher die Sonnenstrahlen, die wieder durch die Wolken brechen. Und dabei der Gedanke: Ich weiß, ich bin nicht allein...